Mutter werden - ein großes Thema mit dem viele Emotionen verbunden sind.

Wir alle haben oder hatten eine Mutter. Viele von uns werden zu einer und es ist das Natürlichste auf der Welt - heißt es so schön.
Was ist aber, wenn es sich für uns so gar nicht gut entwickelt und wir eine schwierige Geburt erleben oder nach der Geburt die Freude einfach nicht kommen will?
Wir uns nicht (wieder)finden in der neuen Situation?
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Herausforderungen in solch einer Phase so überwältigend für uns sein können, dass unser gesamtes System überfordert ist und wir als Reaktion hierauf in eine tief gehende persönliche mentale Krise geraten.
Die seelische Krise nach der Geburt
Die seelische Krise einer Frau nach der Geburt kann viele Ursachen haben. Bis heute ist es nicht eindeutig geklärt, welche Faktoren im einzelnen oder in Kombination dazu führen, dass eine Frau nach diesem Ereignis nicht gut in ihr MutterSein findet.
Die
- hormonelle Umstellung,
- vorangegangene psychische Belastungsphasen,
- schwerwiegende oder traumatische Erlebnisse,
- Medikamenteneinnahme,
- Stress,
- Krankheiten,
- mangelnde eigene Bindungserfahrung,
- u.v.m....
können erheblichen Einfluss nehmen auf unser seelisches Gleichgewicht und unsere Stabilität.
Welche Vorstellung vom MutterSein haben wir?
Unsere eigene Erwartung, welche wir in der Schwangerschaft - oder auch schon davor - entwickeln, wie wir als Mutter sein möchten, ist maßgeblich daran beteiligt, wie gut wir die Umstände und uns selber nach der Geburt annehmen können.
Wir sprechen häufig von der "Mutter-Rolle" die wir spielen. Dies ist umgangssprachlich natürlich in Ordnung, aber im Grunde sollte es sich genau so nicht entwickeln - als Mutter eine Rolle (vor) zu spielen, welche wir meinen einnehmen zu müssen. Entfremdet von den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen. Den Erwartungen des Umfeldes und übernommenen Vorstellungen gerecht werdend.
Wenn wir Mutter werden, bekommen wir die große Chance neu geboren zu werden. Wir gebären unser Kind und wechseln durch die Geburt die Seite - wir sind nicht mehr nur Kind, wir werden auch zur Mutter.
Der natürliche Geburtsprozess findet wenig Raum
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die heutige klinische Geburtshilfe meist von einer Vielzahl von (medizinischen) Interventionen geprägt ist. Der natürliche Geburtsprozess findet hier wenig Raum, er wird vermehrt unterbrochen und/oder irritiert durch Maßnahmen und ihm wird wenig Vertrauen geschenkt.
Dies führt oftmals dazu, dass wir uns als Frau in einer fremdbestimmten Situation wieder finden - wir stehen den standardisierten Abläufen meist ohnmächtig gegenüber (mehrheitlich liegen wir sogar) und kommen hierdurch erst gar nicht dazu, uns in den von der Natur vorgesehenen Geburtsprozess hineingleiten zu lassen.
Körperlich entwickelt sich dieser unter Umständen sogar und die Geburt schreitet voran - es kann aber vorkommen, dass wir uns nicht in die für uns so notwendige Geburtsatmosphäre (sog. Trancezustand) versetzen können oder direkter ausgedrückt, wir bekommen durch die wiederholten Interventionen gar nicht erst die Gelegenheit dazu, den eigenen Rhythmus zu finden.
Die Geburt eines Kindes und die der Mutter ist aber weit aus mehr, als das Kind körperlich zur Welt zu bringen
Es ist also nicht selten so, dass der Geburtsprozess aus körperlicher Sicht abgeschlossen ist, wir aber auf geistig seelischer Ebene noch nicht soweit sind.
Wenn dies geschieht, dann hinken wir unserer psychischen Entwicklung hinterher und wir können uns also noch gar nicht als vollständige Mutter wahrnehmen.
Der Prozess der Geburt ist nicht vollkommen abgeschlossen - uns fehlt etwas!
Da jede Frau über das Ur-Wissen wie eine Geburt funktioniert verfügt, spüren wir intuitiv, dass etwas nicht stimmig ist. Gegebenenfalls sind wir in dieser Phase aber auch noch so überwältigt von den Eindrücken und einfach nur froh darüber, dass wir die Geburt geschafft haben. Das Kind ist da und im besten Fall sind beide körperlich wohlbehalten und gesund.
Die Freude und Erleichterung hierüber lassen fehlende Anteile meist erst einmal in den Hintergrund treten.
Ist die Geburt (körperlich) beendet, beginnt das Wochenbett

Ein Ausnahmezustand auf allen Ebenen.
Das Wochenbett dient im Ursprung der Verarbeitung der Geburt auf körperlicher und dem Ankommen auf der seelischen Ebene. Mutter und Kind dürfen regenerieren - Wunden können heilen, es ist die Zeit der Begrüßung und des Einfindens mit dem neuen Familienmitglied.
Das Stillen wird geübt, die Familie kann sich kennen lernen.
Diese Zeit dauert im klassischen Sinne acht Wochen.
Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, sich von der Geburt auch emotional zu erholen.
Soweit die Theorie ...
Die Praxis sieht leider oftmals anders aus: Hohe Erwartungshaltungen an uns selber, schnell wieder zu funktionieren und zügig wieder in die alte Form zu kommen, können uns maßlos überfordern. Oft kommt es sogar dazu, dass alte nicht gelöste Konflikte innerhalb der Partnerschaft oder Familie genau jetzt noch mehr zum Vorschein kommen als sonst und uns zusätzlich belasten.
Unbewusste Konflikte machen sich in dieser Zeit nicht selten bemerkbar. Gerade jetzt, wo wir selber ein Kind bekommen haben zeigen sich die verletzten und nicht ausgeheilten Anteile aus unserer eigenen Kindheit.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir auch mit unser eigenen Mutter in dieser Zeit "gerne" in Konflikt geraten, sobald wir selber Mutter werden. Auch für unsere Mütter ist es ab und an eine große Herausforderung uns nicht mehr "nur" als ihr Kind zu erleben.
Unsere Mütter bringt dies auch wiederum in eine Übergangssituation - von der Mutter zur Groß-Mutter. Manchmal wird uns hier allzu schmerzlich bewusst, dass sich unsere Mutter nicht an unserer Seite befindet, obwohl sie uns andererseits sehr präsent ist.
Von der Tochter deiner Mutter - zur Mutter deiner Tochter* werden
*Söhne ebenso
Wenn wir in solch eine emotionale Konfliktsituation kommen, ist eine Regeneration im Wochenbett fast unmöglich. Die erste Zeit nach der Geburt ist von hoher Fragilität geprägt - wir benötigen den Schutz von Außen, im besten Falle durch unseren Partner oder die nächsten Familienmitglieder.
Sollten wir dies nicht erleben dürfen, passiert nicht selten Folgendes:
- Entweder wir ergeben uns hilflos und ohnmächtig der Situation und verfallen in eine Art Erstarrung (Depression) - alles ist uns zu viel, wir sind über alle Maßen erschöpft und wünschen uns unser altes Leben wieder zurück,
- Oder wir gehen in die Aktivität und somit auch aus dem Wochenbett heraus. Wir behaupten, wir benötigen dieses nicht und machen einfach weiter wie vor der Geburt. Im Außen gibt es genug Ablenkungsmöglichkeiten und das Außen bestätigt uns auch gerne darin, wieder "die Alte" zu werden. Nur geht das jetzt so nicht mehr - "die Alte" werden. Das spüren viele Frauen auch durch eine große Unsicherheit und innere Unruhe.
Eine Vermischung der vorgenannten beiden Zustände ist durchaus möglich - auch ein stetiger Wechsel kommt vor. Egal wie, wir verweigern uns - aktiv oder passiv - können uns nicht vertrauensvoll in unser neues Leben fallen lassen.
Unstimmigkeiten sind sehr Kräfte raubend
Diesen Zustand können wir je nach körperlicher und seelischer Grundkonstitution, einige Zeit lang durchhalten. Da solche - Unstimmigkeiten mit uns selber - sehr Kräfte raubend sind, werden wir über kurz oder lang allerdings die Erschöpfung zu spüren bekommen.
Dies kann sich verschiedenartig körperlich und/oder auch seelisch durch vermehrtes Weinen, emotionale Labilität, Ungeduld, Aggressivität, Ängste, Zwangsgedanken, u.v.m. äußern.
Es ist also nur nachvollziehbar, dass, wenn du den Geburtsprozess nicht als komplett und stimmig für dich erlebt hast - du in einen Zustand des seelischen Ungleichgewichts geraten kannst. Selbst wenn du für dich sagen kannst, dass die Geburt deines Kindes gut gelaufen ist, kannst du nach der Geburt in eine seelische Krise geraten.
Es liegt nicht immer ausschließlich am Geburtsablauf. Viele Faktoren beeinflussen das seelische Gleichgewicht. Erfahrungsgemäß spielt die Geburt und ihre Verarbeitung aber eine wesentliche Rolle dabei, wie eine Frau in ihr MutterSein findet.
Mut, die eigene Geschichte anzuschauen
Ich möchte jede Frau ermutigen, sich ihre eigene Geschichte genau anzuschauen um hieraus zu (er)wachsen. Sie anzunehmen und das mitzunehmen, was sie stärkt und mit den unguten Erfahrungen in Frieden zu kommen, so dass sie sich in ihr eigenes MutterSein selbstbestimmt und frei entwickeln kann.
Wenn wir uns unserer Themen bewusst werden, sie annehmen und verarbeiten bzw. integrieren, dann müssen wir diese nicht an unsere Kinder weitergeben oder übertragen.
Es gibt wirklich viele Möglichkeiten, warum eine Frau nach der Geburt in einen Erschöpfungszustand geraten kann oder sogar von einer Wochenbettdepression (PPD), einer Angststörung/Anpassungsstörung oder auch posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) betroffen sein kann.
Je nach persönlicher Disposition und Lebenserfahrungen die gemacht wurden und aktuelle Lebensumstände berücksichtigend - sollte jede Geschichte individuell gesehen werden.
Und: Nicht jede Frau benötigt direkt eine medizinisch basierte Therapie. Oftmals kann sich eine Frau auch durch eine "alternative" und zugewandte Begleitung wieder in ihre Mitte bringen und als Mutter gut ankommen.
Was kannst du tun, wenn du von einer Krise nach der Geburt betroffen bist?
Meine Empfehlung ist, dass du dir jemanden suchst, dem du dich anvertrauen kannst. Das kann jemand aus dem medizinischen Bereich sein, aber auch jemand, der sich Kenntnisse angeeignet hat (durch Weiterbildungen etc.) und im besten Falle auch über eigene Erfahrungen als Mutter verfügt oder sehr feinfühlig mit diesem Thema umgehen kann.
Wichtig ist, dass du dir vorstellen kannst, dich mit dieser Person deinem Thema zu nähern.
Gib dir dafür genug Zeit, denn es kann auch sein, dass deine Angst dich im ersten Moment davon abhalten möchte hier weiter zu gehen, so dass du erst einmal den Eindruck gewinnst, dass es nicht passt. Spür da richtig rein, ob dich diese Person nicht doch gut begleiten könnte und sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln kann.
Sollte es dennoch nicht passen, dann schau weiter, lass dich nicht davon abhalten. Es kann durchaus sein, dass du auch erst einmal mehrere Gespräche führen musst, bevor du die richtige Begleitung findest. Und auch das ist vollkommen in Ordnung.
Buchempfehlungen
Aus dem Bereich der Literatur kann ich dir die folgenden Bücher zu dem Thema sehr empfehlen (mit Link):

Inga Erchova "Jede Mutter kann glücklich sein"
Unser inneres Kind umarmen, unsere Kinder lieben
Tanja Sahib "Es ist vorbei - ich weiß es nur noch nicht"
Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen
Viresha J. Bloemeke "Es war eine schwere Geburt"
Wie schmerzliche Erfahrungen heilen
Brigitte Renate Meissner "Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen" Mutter Kind Bindungen heilen oder unterstützen - in jedem Alter
*incl. Bindungsbad & Heilgespräch*
Ehrenamtliche Beratung bei Schatten&Licht e.V.
Der Verein Schatten & Licht e.V. bietet auf seiner Homepage verschiedene Adresslisten zu ehrenamtlichen und fachlichen Beratungs- und auch Therapiemöglichkeiten, sowie weitere Hilfsmöglichkeiten an.
Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verein kannst du mich über das SOFORT-HILFE-TELEFON kontaktieren.
Wenn du diesen Weg nicht alleine gehen möchtest ...
Durch meine eigene Geburtserfahrung und die Begleitung vieler Frauen mit dieser Thematik, weiß ich wie wichtig es ist, für diese herausfordernde Zeit die richtige Ansprechpartnerin zu finden.
Schau dich auch gerne auf meiner Website um, speziell für den Bereich nach der Geburt findest du dort die folgenden Pakete/Angebote:
- das "Sofort Hilfe Paket" - wenn du erst vor kurzem Mutter geworden bist und Schwierigkeiten mit der neuen Situation hast
- die "Seelische Nachsorge" - die Geburt deines Kindes liegt schon etwas zurück, aber du findest einfach nicht richtig in deine Freude
- und "Mütter-Mut" - für die Selbstfürsorge in der Gruppe mit regelmäßigen Treffen (zur Zeit online)
Du bist mit dieser Thematik nicht allein -
vielen Frauen geht es nach der Geburt ihres Kindes nicht so gut, wie es oftmals den Anschein macht.
Neueste Studien geben an, dass 25% der Frauen in eine postpartale psychische Krise nach der Geburt ihres Kindes geraten. Auch Väter sind hiervon übrigens betroffen - etwa 10% der Männer geraten in so eine Krise.
"Wir können die Wellen nicht stoppen - aber wir können lernen zu surfen."
Jon Kabat-Zinn